2016 Treffen in Bourg-en-Bresse

Zum diesjährigen Treffen, das jeweils abwechselnd in Deutschland und in Frankreich stattfindet, hatten die Freunde aus La Ravoire zum 14. bis 16. Mai nach Bourg-en-Bresse am Fuß des französischen Jura eingeladen. Am ersten Tag um die Mittagszeit erreichten die 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Teningen das Hotel und wurden von den französischen Freunden in gewohnt französischer Herzlichkeit empfangen. Bei der anschließenden Besichtigung der Stadt war zu erfahren, dass diese von 1272 - 1601 zum seinerzeit bedeutenden Herzogtum Savoyen gehörte, dessen Einflussbereich bis zum Mittelmeer reichte. Aus dieser Zeit stammen viele noch heute gut erhaltene Gebäude. Einen Höhepunkt bildete der anschließende Besuch der historischen Apotheke im „Hotel Dieu“, was zur damaligen Zeit ein Krankenhaus war, das heute als Altenpflegeheim dient. Die Apotheke ist noch im Originalzustand erhalten, bestehend aus einem „Labor“ mit großem Ofen und Destillerieeinrichtung zum Zubereiten der Medikamente, die hauptsächlich auf der Basis von Kräutern hergestellt wurden. Der anschließende Raum, in dem auch die Bibliothek untergebracht war, diente als Lagerraum für die Medikamente, die in kunstvoll gefertigten Keramikgefäßen abgefüllt wurden. Der Verkaufsraum mit Holzarbeiten im Stil Louis XV und Louis XVI war bestückt mit herrlichen Gefäßen aus Porzellan, Zinn und Glas aus der damaigen Zeit. Was wäre ein Aufenthalt in dieser schönen Region, ohne eine Farm zu besuchen, wo die berühmten Poulet de Bresse (Bresshühner) mit den blauen Füßen gezüchtet werden. Das war der erste Programmpunkt am folgenden Tag. Auf den umliegenden Weiden der Farm steht eine Fläche von mindestens 10 m² pro Huhn zur Verfügung. Gefüttert wird mit Mais, Korn und Milchprodukten (entrahmte Milch, Buttermilch…), ergänzt durch Larven, Würmer, Insekten und Gras, die auf der Weide zur Verfügung stehen. Weiter werden Masthähnchen und Kapaunen gezüchtet. Was im Schwarzwald die Vogtsbauerhöfe, das ist das „Maison de Pays en Bresse“ im Département de l`Ain. Dieses im Jahre 1465 errichtet Haus von beachtlicher Größe ist total zerlegbar und kann nach Bedarf an einer anderen Stelle wieder errichtet werden. Beim Bau wurden Balken verwendet, die zum Teil aus dem 13. JH stammen. Die erforderlichen Ziegelsteine und Dachziegel wurden auf dem Hof gebrannt. Vieles wurde vermittelt über das Leben der Menschen aus früherer Zeit.
Nach diesem Besuch hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Stärkung im zu dieser Anlage gehörenden Restaurant verdient. Die Textilindustrie und ganz besonders die Seidenwebereien waren bis zur 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Lyon und im Großraum Lyon von großer Bedeutung. So u. a. die Firma Bonnet, deren Gründung auf den Beginn des 19. JH zurückgeht zuerst in Lyon und später mit Schwerpunkt im besuchten Werk in Jujurieux.
Wegen der Besonderheit des Verhälnisses zwischen Arbeitgeber und Personal soll an dieser Stelle detaillierter berichtet werden. Das Leben spielte sich in sogenannten Pensionaten ab. Das Fabrikpensionat der Firma Bonnet gehörte zu den bedeutendsten Einrichtungen zur damaligen Zeit. Es wurden junge Mädchen im Alter von 12 bis 21 Jahre beschäftigt oder soll man sagen „gehalten“.
Sie lebten in einer von Mauern umgebenen Einrichtung und wurden dort von den Ordensschwestern der „ Saint-Joseph de Bourg“ überwacht(!), die ihre religiöse Einstellung stärkten und sie auf ihr zukünftiges Leben als Frau und Mutter vorbereiteten. Das Leben war hart. 11 Stunden am Tag arbeiten, ergänzt durch Andachten und Beten. Im letzten Viertel des 19. JH arbeiteten dort über 600 Mädchen. Zu Beginn des 20. JH wurden über 2000 Personen beschäftigt. 2001 wurden alle Aktivitäten eingestellt. Das Werk wurde bei unserem Besuch in dem Zustand vorgefunden, in dem es sich bei der Werkschließung befand. Die Maschinen wurden noch mit Lochkarten gesteuert!In einem angrenzenden kleinen Museum sind Produkte aus der früheren Fertigung ausgestellt. Der Tag wurde abgeschlossen mit dem Besuch eines Weingutes in Poncin. Es liegt in der kleinen Weinregion Bugey, die ca. 150 ha umfasst, die von rund 10 Weingütern bewirtschftet werden. Vor der Abreise am letzten Tag und dem abschließenden gemeinsamen Mittagessen stand mit dem Besuch des „Königlichen Klosters Brou“ ein ein weiterer Höhepunkt auf dem Programm. Die beeindruckende Anlage mit einzigartigen Steinmetzarbeiten von höchstem künstlerischen und historischen Rang - u.a. mit einem Kirchenfenster nach Entwürfen von Albrecht Dürer - bestehend aus Kloster, Kirche und zahlreichen Nebengebäuden wurde zu Beginn des 16. JH auf einer Fläche von über 4000m² in nur 24 Jahren errichtet, finanziert von Margarete von Österreich, der Tochter von Kaiser Maximilian von Habsburg und Maria von Burgund. Sie hatte 3 Ehemänner überlebt. Ihr erster Mann war der gleichaltrige Philibert II von Savoyen, mit dem sie bereits im Alter von 3 Jahren vermählt wurde. Die Wahl der Ehemänner wurde bestimmt durch Gewinn von politischer Macht und Reichtum. So wurde zu dieser Zeit in Europa Politik gemacht. Zum Abschied dankte Colette Born dem Leiter des Verschwisterungskomitees Mr. Rambaud und seiner Mannschaft für die Organisation dieses Treffens mit der Überreichung von Gastgeschenken. Die deutschen Teilnehmer traten nach herzlicher Verabschiedung von den französischen Freunden mit vielen neuen Eindrücken wieder die Heimreise an.

(Bericht: A.Göldner/Fotos: K.Reifsteck)